Gibt es den idealen Startpunkt?

Halten Sie Ihre guten Vorsätze mit dem "fresh start effect" ein

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Ich wette, dass es niemanden auf der Welt gibt, der mit so viel Leidenschaft die guten Vorsätze für das kommende Jahr vorbereitet, wie mein Vater. Jedes Jahr aufs Neue, nimmt er sich am Ende des Jahres Zeit und notiert detailliert seine Ziele für das kommende Jahr. Meistens wird die Liste seitenlang, da er seine Ziele ganz genau ausformuliert und Pläne schmiedet, wie er diese erreichen will. Das macht er nun seit mindestens 20 Jahren auf genau dieselbe Weise und auch in seinem Ruhestand ist noch lange nicht Schluss damit.

Für meinen Vater und viele anderen Menschen markiert der erste Januar einen idealen Startpunkt für große Veränderungen. Der Jahresbeginn ist ein Neustart, man blickt auf die (Miss-)Erfolge des vergangenen Jahres zurück und schließt so mit dem vorherigen Jahr ab. Eine aktuelle Studie zeigt, dass er mit seiner Liste an guten Vorsätzen nicht allein ist. 74% der Amerikaner planen im kommenden Jahr 2021 etwas Neues zu lernen, ihren Lebensstil zu ändern oder ein persönliches Ziel zu erreichen.

Interessanterweise werden Ziele nicht nur zum Jahreswechsel an ein bestimmtes Datum geknüpft. Forscher fanden heraus, dass Menschen insbesondere große Ziele häufiger zu einem bestimmten Zeitpunkt in Angriff nehmen. Das Datum als Anker hilft Ihnen dabei, zwischen ihrer eigenen Vergangenheit und dem aktuellen Moment einen klaren Strich zu ziehen. Solche Ankerpunkte können der Jahreswechsel, der eigene Geburtstag, der Beginn eines neuen Monats bzw. einer Jahreszeit, oder sogar der Wochenstart sein. In einem 2014 erschienenen Aufsatz, in dem der sogenannte „fresh start effect“ zum ersten Mal vorgestellt wurde, legten die Forscher die zwei Faktoren des Effekts dar:  der zeitliche Ankerpunkt hilft dabei, das vergangene Selbst vom aktuellen Selbst abzuheben. Zusätzlich wird die Aufmerksamkeit auf die Dinge gelegt, die für die Erreichung des Ziels nötig sind. Man sieht das große Ganze.
Im Aufsatz wird die Existenz des Effekts daran untersucht, dass die Suchanfragen zum Begriff „Diät“ zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Jahres verglichen wurden. Darüber hinaus wurden Studenten befragt, ob sie nach ihren Geburtstagen häufiger ins Fitnessstudio gingen. Zudem wurde untersucht, wann die Downloadzahlen einer App, mit der man Ziele planen kann, am höchtsten waren. In allen Untersuchungen wurde eine Korrelation zwischen einem besonderen Datum und der Absicht, konkrete erste Schritte für ein anvisiertes Ziel zu gehen, gefunden. Die Forscher spekulieren, dass der „fresh start effect“ den Menschen den zusätzlichen Motivationsschub bescheren könnte, den sie brauchen, um ihre Ziele tatsächlich zu erreichen.

Ist somit der 1. Januar für alle der ideale Startpunkt, um neue Ziele in die Tat umzusetzen? Selbst wenn ich keine Studien gefunden habe, die Antworten auf diese Frage geben, sagen einige Psychologen und Journalistinnen klar Nein. Auch wenn der „fresh start effect“ am ersten Tag des Jahres motiviert, erschweren andere Faktoren den tatsächlichen Start. Die Psychologin Dr. Melissa Burkley weist auf das Offensichtliche hin: bei der Silvesterparty bleibt man in der Regel zu lange wach und trinkt Alkohol. Große Veränderungen des eigenen Lebens genau dann anzugehen, wenn man müde ist und Kopfschmerzen hat, sei, wie wenn man zu einer Reise mit dem Auto aufbrechen will, der Tank aber leer ist. Auch wenn Sie Silvester nicht feiern, sind Sie dennoch erschöpft und ausgebrannt von den vielen Weihnachtsvorbereitungen und (in einem normalen Jahr) Familienfeiern. Da ist es schwer, gleich am 1. Januar die nötige Energie aufzubringen, sich selbst neu zu erfinden.

Für den Psychologie-Professor Dr. Art Markman sollte man deshalb seine Ziele nicht an Neujahr angehen, da man noch keinen konkreten Plan hat. Während der Feiertage nimmt man sich zwar die Zeit, über das Leben und das, was man persönlich erreichen möchte, nachzudenken. Allerdings wird meist der zweite Schritt übersehen: der konkrete und effektive Plan, mit dem man die Ziele wirklich erreichen wird. Wir schöpfen Kraft fürs neue Jahr, in dem alles anders sein wird, aber ohne Weg zum Ziel. Markman schlägt deshalb vor, sich verschiedene Tage vorzunehmen: einen Tag, wie den 1. Januar, an dem man seine Ziele plant. Und einen weiteren Tag, z.B. den 4. März, als eigentlichen Startpunkt für Ihren Neuanfang.

Manche sind der Meinung, dass der erste Januar zu viel Druck erzeugen würde. Ein früherer Startpunkt könnte die Lösung sein. Der New York Times Journalist Harry Guinness schlägt vor, bereits im Dezember einen Testlauf der anvisierten Ziele zu machen. So können Sie ausprobieren, was gut für Sie funktioniert, und was nicht. Ihre Misserfolge können Sie noch vor Beginn des neuen Jahres auf andere Weise angehen und bekommen nicht das Gefühl, gleich nach dem Start schon wieder versagt zu haben. Das verringert die Gefahr, dass die Ziele zu früh über Bord geworfen und auf das nächste Jahr hinausgeschoben werden. Stattdessen macht man direkt an der Stelle weiter, an der es klemmt.

Ich persönlich finde Guinness Ansatz hilfreich. Und das nicht nur für Neujahrsvorsätze, sondern auch für alle weiteren Veränderungen im Laufe des Jahres. Ich werde mir einfach sagen, dass ich nur etwas Neues ausprobiere und schaue, ob es funktioniert. Beispielweise wollten mein Partner und ich für die Umwelt weniger tierische Lebensmittel zu uns nehmen. Bereits im Dezember haben wir damit begonnen, erste Rezepte zu recherchieren und nachzukochen. Im Januar war es dann bereits fast zur Routine geworden. Auch wenn wir dieses Jahr machmal mehr Fleisch oder Milchprodukte gegessen haben, sind wir immer wieder zur pflanzlichen Ernährung zurückgekehrt.

Sie zählen sich wie meinen Vater zu den Menschen, die durch den „fresh start effect“ den nötigen Ansporn und Motivation bekommen? Leider kam eine Folgestudie von Dr. Milkman zum Ergebnis, dass der Effekt alleine nicht ausreicht, Ihr Ziel auch wirklich zu erreichen. So zeigte beispielsweise ein Programm, das Teilnehmer zur Einnahme ihrer Medikamente an einem zeitlichen Ankerpunkt erinnern sollte, keinen Unterschied zu Erinnerungen an einem beliebigen Zeitpunkt.
Um Ihre Ziele zu erreichen, brauchen Sie wohl zusätzliche Tricks, damit Sie sich nicht nur auf Ihre Willenskraft verlassen müssen. So könnten Sie eine Aktivität, die Ihnen Spaß macht (wie Fernsehschauen) mit einer, die Ihnen weniger Spaß macht (wie ins Fitnessstudio gehen), verbinden. Oder Sie könnten an einem Belohnungsprogramm teilnehmen, das Sie so lange durchhalten lässt, bis die neue Aktivität zur Gewohnheit wird.

Und wenn Sie es dennoch nicht schaffen? Das macht nichts und bedeutet keinesfalls, dass Sie nicht dennoch weitermachen, neu anfangen oder Ihren Plan auf einen besseren Zeitpunkt verschieben können. Mein Vater formuliert jedes Jahr ungefähr 20 gute Vorsätze. Erreicht er auch alle Ziele im neuen Jahr? Nein, aber allein die Tatsache, dass er seine Ziele im Blick hat, motiviert ihn. Er liest vielleicht nicht die 100 Bücher, die er anvisiert hatte, aber seine 50 gelesenen Bücher sind bereits ein großer Erfolg. Denn er hat Spaß daran, seinen Prozess zu verfolgen und feiert seine Erfolge! Hat er ein Ziel in einem Jahr nicht erreicht, streicht er es nicht für immer von seiner Liste, sondern nimmt es ins kommende Jahr mit.

Ich denke, dass dieser Ansatz sinnvoll ist. Es ist nicht einfach, nicht zu hart zu sich selbst zu sein, wenn man sein gestecktes Ziel nicht erreicht hat. Nicht nur Ihnen fällt es schwer, Ihre Gewohnheiten zu ändern. Denn Willenskraft ist nicht unendlich vorhanden. Betrachten Sie Ihre Misserfolge deshalb objektiv und machen Sie weiter – Sie sind bereits auf einem guten Weg! Werden Sie sich auch bewusst, dass manche Dinge außerhalb Ihrer Macht stehen. Die Pläne vieler Menschen wurden 2020 durcheinandergebracht oder auf Eis gelegt.

Egal welches Ziel Sie sich für das kommende Jahr vornehmen, wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei! Wir freuen uns, Sie auch kommendes Jahr mit unseren Tipps und Ideen in unserem Blog begleiten zu dürfen.

 

Welche guten Vorsätze haben Sie fürs kommende Jahr gemacht? Planen Sie sie bereits am 1. Januar oder erst später im Jahr in die Tat umzusetzen? Haben Sie Tipps, wie Sie Ihre guten Vorsätze letztes Jahr durchgehalten haben? Wir freuen uns, auf unserer Facebook-Seite unter unserem Posting dieses Blog-Beitrags von Ihnen zu hören!

Erstellt von: Jennifer Schultz – Veröffentlicht am: 29.12.2020
Tags: Besser arbeiten


Über Jennifer Schultz

Jennifer Schultz ist die einzige Amerikanerin im Citavi-Team, was ihr ihre Kollegen aber (normalerweise) nicht verübeln. Ihre Leidenschaft, Wissenschaftler bei ihrer Arbeit zu unterstützen, brachte ihr einen erfolgreichen Studienabschluss. Sie mag es aber auch, schwierige Sprachen zu lernen, draußen in der Natur zu sein und ihre Nase in ein Buch zu stecken.

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